Institute of Systematic Theology

Research

Reformierte Gebotsethik? – Impulse aus Calvins Gesetzesharmonie

Das Forschungsprojekt beschäftigt sich mit dem Genfer Reformator Johannes Calvin als Juristen und innovativen Ausleger des mosaischen Gesetzes. In der Calvin-Forschung wurde seine originelle Gesetzesauslegung bisher kaum berücksichtigt, geschweige denn für die Gegenwart aufgearbeitet. Dieser Befund ist deshalb so erstaunlich, weil sein Gesetzesverständnis und insbesondere seine Konzentration auf die Zehn Gebote für seine gesamte Theologie prägend waren.

Im Zentrum des Projekts steht die so genannte „Gesetzesharmonie“, in der sich Calvin auf ganz eigenständige Weise mit dem mosaischen Gesetz beschäftigt. Nach seiner Auslegung des hebräischen Psalters war diese exegetische Arbeit eines der ehrgeizigsten und innovativsten Projekte, welches Calvin in seiner Laufbahn als Bibelkommentator je in Angriff nahm. Auf genuine Weise führte Calvin das historische Material der Bücher Exodus bis Deuteronomium zu einer fortlaufenden Erzählung zusammen. Bei Exodus 20 fügt Calvin dann das gesamte Gesetzes- und Lehrmaterial ein. Alle Gebote und Verbote des mosaischen Gesetzes, welche über die vier Bücher Mose verteilt sind, bespricht Calvin an dieser Stelle, indem er jedes einzelne Gebot systematisch einem der Zehn Gebote zuordnet. Dieses calvinische Spätwerk (1563) ist im deutschsprachigen Diskurs bis heute nahezu unbekannt geblieben.

Das Promotionsprojekt zielt darauf ab, dieses Werk Calvins für die Forschung sowie für die kirchliche Ethik und Praxis fruchtbar zu machen. Ausgegangen wird davon, dass von Calvins Gesetzesauslegung auch heute noch wichtige theologische Anstösse für die Gegenwart gewonnen werden können. Ein Blick in die kirchliche Theologie und Praxis zeigt ein ambivalentes Bild. Einerseits wird das Gesetz des Moses weitgehend ignoriert. Andererseits werden in einem problematischen Biblizismus biblische Gebote zitiert, um politische Ansprüche zu legitimieren. Gegenüber beiden Missverständnissen bildet Calvins Umgang mit dem Gesetz ein Lehrstück, das für die aktuellen innertheologischen Debatten um Evangelium und Gesetz oder die Bedeutung und Relevanz des tertius usus legis, aber auch für die gesellschaftspolitische Diskussion um das Verhältnis von Kirche und Staat von bleibender Aktualität sind. Im Blick auf das wachsende Interesse an der Frage nach dem Verhältnis von Kirche und Staat sowie Rechtsfragen in Theologie und Kirche liefert die Rückbesinnung auf Calvin und die reformierte Tradition nicht nur bedenkenswerte Impulse, sondern trägt auch zu einer Profilierung reformierter Identität bei.

Das Projekt wird begleitet durch Prof. Dr. Frank Mathwig, Prof. Dr. Matthias Zeindler und Prof. Dr. Marco Hofheinz.